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trailer world Ausgabe Eins 2009

Ausgabe Eins 2009 31 Hoffnung auf Rädern Äthiopien, eines der ärmsten Länder der Welt, leidet unter Armut, Hunger und desolater Infrastruktur. Der Transport auf dem Lastwagen ist der Puls- schlag, der die ausgemergelte Nation in Ostafrika am Leben hält. Laye Nebolute hat das große Los gezogen. Der Vater von fünf Kindern verfügt über einen der begehrtesten Jobs in seiner Heimat Äthiopien: Er ist Lkw-Fahrer. Laye klemmt sich jeden Tag hinter das abgegriffene Lenk- rad seines betagten Fiat-Lkw und fährt. Hun- derte Kilometer über staubige Pisten, vorbei an mächtigen Mittelgebirgsmassiven und ärmlichen Bauernsiedlungen mit mittelalter- lich wirkenden Ziehbrunnen. Lkw-Fahrer gelten viel in dem 82 Millio- nen-Einwohner-Staat am Horn von Afrika. Sie versorgen die Landbevölkerung in den noch immer von Ernteausfällen und Hun- gersnöten geplagten Land mit den wich- tigsten Nahrungsmitteln, bringen chronisch fehlende Medizin und befördern auf dem Rückweg auch mal einen Schwerkranken bis ins oft weit entfernte nächste Hospital. Last- wagenfahrer transportieren das Leben zu den Menschen. Die einfachen Landbewoh- ner danken es ihnen. Der ungefähr 32-Jährige – ganz so genau kennt sein Alter niemand – fährt seit fünf Jah- ren quer durch das zehntgrößte Land Afrikas. Verglichen mit den bettelarmen Menschen auf dem Land bekommt er dafür ein kleines Ver- mögen. Die stolzen Lkw-Lenker verdienen bis zu 3.000 Birr (rund 210 Euro) pro Monat. Bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von gerade mal 500 Euro pro Mensch gelten die Lkw-Lenker als Bestverdiener. Sie danken Gott oder Allah – je nachdem – für die Gunst, sich hinter den Volant setzen zu dürfen. Viele junge Männer wie Laye hoffen auf den sozia- len Aufstieg hinter das Steuer eines der Lkw, die meisten dieser Laster sind deutlich älter als ihre Fahrer. In einem Land, in dem über die Hälfte der Menschen unterernährt ist, bedeutet es ein hohes Privileg, seiner Familie jeden Tag eine vollwertige Mahlzeit ermöglichen zu kön- nen. Dafür nimmt Laye, der nur vier Jahre auf eine Schule gehen konnte, die täglichen Strapazen seiner Arbeit in Kauf. Sein Job ist auch abseits der unbefestigten Buckelpisten nicht ungefährlich. Schon zweimal sei er beim Reifenwechsel von waffenstarrenden Kriegern im gesetzlosen Niemandsland der über 70 verschiedenen Stammesgebiete zur Zahlung eines hohen Wegeszolls gezwungen worden. Die Fahrer wissen: Wer hier nicht zahlt, wird sterben ... Durch seine geologische Lage auf einem Gebirgshochplateau herrscht in Äthiopien in den meisten Landesteilen ein erstaunlich mildes Klima. Trotzdem zehren Hungers- nöte, ausgelöst durch Dürreperioden und Überschwemmungskatastrophen, Land und Leute jedes Jahr von Neuem aus. Ein zentrales Problem des Ursprungslandes des Kaffees ist die fehlende Verkehrsinfrastruktur. Seit dem Bürgerkrieg mit Eritrea und dessen Abspal- tung verfügt Äthiopien über keinen eigenen Seehafen mehr. Lkw übernehmen seither den gesamten Transport aller Güter auf dem über 33.000 Kilometer langen Straßennetz. Nur knapp 4.000 Kilometer davon sind be- festigt, die restlichen Versorgungswege versin- ken in der Regenzeit in Schlamm und Geröll. Die Landbevölkerung bleibt dann oft wochen- lang auf sich selbst angewiesen. Die perma- nente Gefahr gegen den verhassten Nachbarn Eritrea, der sich vom äthiopischen Mutterland Mitte der 90er-Jahre abgespalten hat, heizt die angespannte Atmosphäre zusätzlich an, ein Waffengang der zerstrittenen Brudervölker ist jederzeit möglich. Für Lkw-Fahrer wie Laye und ihre Auf- traggeber gehören Fahrten in die Grenzre- gionen zu Eritrea oder Somalia zum unwäg- baren Risiko. Fern der Hauptstadt regeln Stammesfürsten mit der Sprache ihrer Ka- laschnikows den Verkehr. Schwere Unfälle von übermüdeten Lkw-Fahrern mit drama- tisch überladenen Lastzügen stehen auf der traurigen Tagesordnung. Mensch, Maschine und Getier teilen sich tags und nachts die Pis- ten. Auf der Straße gilt das archaische Recht des Stärkeren. Bei ihrem Job auf einem „Camion“ schla- gen sich die afrikanischen Fahrer vor allem mit Technik-Pannen herum. Foto:Kienberger Hunger durch Krieg und Dürre Verkehrslenkung mit Gewehren International

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