12 Ausgabe Zwei 2010 Zukunft II und unter Umständen eine optimiertere Gewichtsverteilung zur Folge hat. Entspre- chende Steuerungselektronik vorausgesetzt, ermöglichen dezentrale Antriebe darüber hi- naus eine deutlich präzisere Kraftdosierung, als das beim klassischen Antrieb möglich ist. Radnabenmotoren böten so für die Kon- struktion zukunftsweisender elektrisch an- getriebener Lastzugkonzepte spannende Möglichkeiten. Denkbar wäre, die klassische Aufteilung zwischen Zugmaschine und gezo- gener Einheit neu zu überdenken. „Active Wheel“ im Praxiseinsatz Im Fahrzeugbereich beschäftigen sich zahl- reiche Systemanbieter wie Continental, Miche- lin oder ZF damit. ZF stellte auf der IAA mit der Elektroportalachse AVE 130 Hybrid eine komplette Antriebseinheit vor – die allerdings, ebenso wie vergleichbare Ansätze, nur für den Einbau in City-Bussen konzipiert wurde. Die ZF-Lösung kommt in mehreren europäischen Städten und Verkehrsverbünden im Rahmen der Felderprobung des MB-Busses Citaro BlueTec-Hybrid zum Einsatz. Das zentrale Merkmal dieses Achssystems sind die bei- den wassergekühlten Asynchronmotoren, die jeweils 120 Kilowatt (ca. 163 PS) leisten und sowohl für „Gelegenheitsjobs“ und die Rück- gewinnung der Bremsenergie (Rekuperation) als auch für den Dauerbetrieb in Brennstoffzel- len- oder E-Bussen tauglich sind. Auf dem Pariser Automobilsalon 2008 präsentierte Michelin mit dem „Active Wheel“ einen Radnabenmotor, der in dem Roadster „Volage“ des französischen Elek- trofahrzeugspezialisten Venturi und im Kompaktwagen „WILL“ des französischen Elektroautoherstellers Heuliez zum Einsatz kommen soll. Dabei ist es den Technikern ge- lungen, nicht nur einen 30 Kilowatt starken Elektromotor im Rad unterzubringen, son- dern auch noch weitere Fahrwerks- und Si- cherheitskomponenten. Praktiker räumen allerdings revolutionären Konzepten in Nutzfahrzeugen für den Güter- transport auf absehbare Zeit keine Chancen ein. Dies liegt weniger an der Idee des Radna- benmotors als an den zur Verfügung stehenden Antriebsvarianten und ihren Reichweiten. In ÖPNV-Bussen und Pkw mögen Brennstoffzel- lentechnik, Elektro- oder Hybridantriebe ihre Berechtigung haben. Bei elektrifizierten Eisen- bahnen oder Oberleitungsbussen ist mit der vorhandenen Stromversorgung eines der zen- tralen Probleme gelöst. In einem 40-Tonnen- Fernverkehrszug sind diese Konzepte dagegen beim derzeitigen Stand der Technik noch Ideen aus der Sci-Fi-Kiste. Diese Einschätzung wird u. a. durch die Fraunhofer-Gesellschaft bestätigt. Dr.-Ing. Michael Jöckel, Leiter der Geschäftstelle der Fraunhofer Systemforschung Elektromobi- lität, sieht mindestens mittelfristig die gravi- metrische Energiedichte als entscheidendes Kriterium an: „Dieser Wert liegt für Diesel und Benzin ungefähr einhundert Mal höher als für aktuelle Batteriesysteme.“ Das bedeu- tet: „Hundert Kilogramm Batterie“ können so viel Energie speichern wie ein Kilogramm 1900: Ferdinand Porsche als Beifahrer auf einem „Lohner-Porsche“-Elektromobil mit vier Radnabenmotoren mit jeweils 2,5 PS Leistung. Sportlicher Einsatz: Der Elektro-Roadster Venturi Volage soll dank vier Radnabenmotoren spurtstark beschleunigen. Fotos:PorscheAG,Venturi,Fraunhofer,Illustration:Heins